Alte Gedanken - heute gedacht


Fundsache von 2010, die auch heute so passt:

 Manchmal muss es zu Schlägen mit dem Schicksal kommen, damit man sich das Gesicht im Spiegel nicht nur oberflächlich zu Gemüte führt, sondern den Blick ganz tief nach Innen gehen lässt und sich die Frage stellt, ob der Mensch, den man dort gerade wahrnimmt, wirklich man selbst ist.

Beim einen ist es eine schwere Krankheit, beim anderen der Verlust eines lieben Menschen, der einen inne halten lässt, um eine Selbstanalyse zu machen. Manchmal bedarf es dieser vehementen Methode, um nach und nach die harten Schalen und Krusten, die feste Ummantelung, die sich um einen selbst gebildet hat, zu durchbrechen und zu dem zarten Wesen Mensch zu kommen, das all dem inne wohnt.

Ein Anblick, der meist zu Tränen rührt, macht er einen doch verletzlich und beschämt. Plötzlich haben wir das Gefühl, aus tausend Stücken zu bestehen, unsichtbar zu sein oder uns fremd. Und wir stellen uns die Frage: "Wer bin ich eigentlich?"

Bin ich die Person, die ich in diesem Moment bin? Oder bin ich eigentlich die, die ich so viele Jahre war und die nun einfach den Boden unter den Füßen verloren hat? Oder bin ich keine von beiden, sondern muss mich selbst neu definieren? Und wer sagt mir, dass ich dann wirklich die sein werde, die ich zu sein glaube? Was wenn ich in ein paar Jahren wieder fragend vor meinem Spiegelbild stehe? Sind die kleinen Schritte, die ich mache, meine? Fange ich wirklich an, mir MEIN Leben wieder aufzubauen? Wessen Leben habe ich dann bis jetzt geführt?

Wenn man ungeschützt am Boden liegt, stellt sich diese Frage nicht, weil einem dazu die Kraft fehlt. Aber sobald die ersten Glieder sich strecken, der erste Fuß wieder Boden spürt, stellt sie sich und wird wohl nie ganz beantwortet werden: 

Wer bin ich? 

(2010)

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