Ein Abend beim "Hassias"

Dass es mir so schwer fallen würde, den Abend in der Osnabrücker Stadthalle zu beurteilen, war nicht abzusehen.


An die Karten sind mein Mann und ich durch Zufall gekommen. Eine Bekannte, die sie loswerden musste und wir zwei Fans von Kabarett. Also habe ich - ohne den Namen Serdar Somuncu jemals gehört zu haben - sofort gesagt, dass ich die Karten gerne nehme.

Mein Mann kannte den Kabarettisten von einem kurzen Fernsehauftritt und war begeistert. Also stieg auch meine Vorfreude.

Und als wir dann gestern einige Minuten vor Einlass die lange Schlange von Zuschauern vor der Stadthalle sehen konnten, da dachte ich mir schon, ok, der muss gut sein.

Und jetzt sitze ich hier und weiß noch immer nicht, wie ich den Abend bewerten soll. Vielleicht ist aber auch das gerade das verfolgte Ziel?

Aber von Anfang an...

Im Grunde bestand das Programm aus zwei Teilen, die sich immer wieder abwechselten, unterbrochen von "Spielereien" mit dem Publikum.

Art 1: Ein vulgärer Serdan, der über Sexualpraktiken nicht nur gesprochen sondern sie auch karikiert hat, der Wörter aus der Fäkalsprache in jedem zweiten Satz untergebracht hat und der dann auch noch das nicht amüsierte Publikum - zu dem ich mich zähle - als verklemmt und verlogen deklariert. 
Dieser Teil kam aber bei einem Großteil des Publikums außerordentlich gut an, lautes Gelächter, Beifallrufe. Ich würde sagen, dass er mit diesen Einlagen 80 % des Publikums abgeholt hat.

Art 2: Hier erlebte man den Kabarettisten Somuncu, der mit einem ordentlichen Wissen und einer wundervoll offenen Art der Sozialkritik aufwartet, keine Scheu hat Namen in den Mund zu nehmen.
Auch dieser Teil kam gut an. Aber dieser Teil war vielen zu ernst.

Dazwischen gab es Publikumseinlagen: Handynutzer, die angepfiffen wurden; Popcornesser, die angeschnautzt wurden, und ein - einer Ansicht nach gefakter - Zwischenrufer, dem gedroht wurde.

Wie war also der Abend? Wie war Serdan Somuncu? Schon im Auto haben Joo und ich versucht den Abend - und die für uns große Diskrepanz zwischen den Spielarten - zu verstehen. War alles so geplant, um unbewusst dem Publikum zu zeigen, wie sehr sie diese Gesellschaft sind, die Serdan zwei Stunden dort aufgezeigt hat?
Oder interpretiere ich zu viel in diesen durchaus "könnenden" Kabarettisten hinein und war dieser "Unter-der Gürtellinie-Humor" einfach so hinzunehmen - wogegen ich mich aber aussprechen würde, da es für mich anspruchsloses Gelaber und kein gutes Kabarett ist.

Ich liebe Filme mit offenem Ende. Soll auch diese Show ein offenes Ende haben oder reicht es Serdan - so wie einem großen Teil des Publikums wohl auch - dass man offen Wörter in dem Mund genommen hat und Bilder produziert hat, die für mich nichts mit politischem Kabarett zu tun haben?

Wenn ich mir die Homepage des Hasspredigers und seine berufliche Vita anschaue, dann habe ich Hoffnung, dass meine Hoffnung nicht sterben muss. Denn ich kann mir nicht vorstellen, dass solch ein Kaliber der Schauspielkunst sich mit Zuschauer bringendem sexistischem Gelaber zufrieden geben kann.

Eine wirkliche Antwort wird mir aber wohl nur ein Herr Samuncu persönlich geben können.


Kommentare

Beliebte Posts