21. Klappe

 

Montag, 21. Dezember 2020



Das Mitgefühl

mit allen Geschöpfen ist es,

was Menschen erst wirklich

zum Menschen macht.

Albert Schweitzer



Der größte Teil der Menschheit sind für uns unbekannte Menschen. Selbst in unserem Umfeld treffen wir im Alltag oft auf mehr Menschen, die wir gar nicht kennen – sie kreuzen unseren Weg, stehen mit uns an der Supermarktkasse oder teilen mit uns das Wartezimmer. Fremde.

Die meisten davon nehmen wir gar nicht wahr. Wir laufen an ihnen vorbei, während wir unsere To-Do-Liste im Kopf durchgehen oder eine Nachricht auf dem Smartphone tippen. Ist es nicht schon genug , wenn wir die „halb-präsenten“ Menschen durch einen simplen Gruß in unser Leben einbeziehen wie die Kassiererin oder den Paketzusteller?

Reichen tut es, natürlich. Aber beanstanden wir nicht die Welt, wo keiner sich mehr um den anderen kümmert, wo die Mitmenschlichkeit immer mehr verloren geht? Sollten wir dann nicht auch anfangen, die Menschen bewusst wahrzunehmen?

Wie wäre es, wenn ihr mal den ein oder anderen Autofahrer vorlasst, statt auf die Uhr zu schauen. Es werden höchsten ein paar Sekunden sein, die ihr später am Ziel seid. Und wenn ihr vorgelassen werdet, dann bedankt euch und nehmt es nicht einfach so hin.

Helft der Frau mit dem überladenen Einkaufswagen und den zwei schreienden Kindern und bietet an, kurz auf den Wagen aufzupassen, während sie die Kinder in Ruhe in den Wagen verfrachtet.

Macht Komplimente oder startet ein kleines Gespräch. Einem Fremden fragt ihr? Ja, auch das geht: schöne Dinge fallen uns manchmal ins Auge – egal ob die tollen Nägel oder ein schönes Outfit – warum teilen wir es der Person nicht mit?

Ja, jetzt spulen viele von euch solche Situationen im Gedächtnis ab und erinnern sich an den genervten Autofahrer hinter euch, als ihr das Auto von der Seitenstraße vorlasst, ihr seht den misstrauischen Blick der Dame auf dem Supermarktparkplatz, die unsere Hilfe ablehnt, weil sie denkt, dass wir nichts Gutes im Schilde führen,…

Ich sage aber, wenn wir nichts ändern, wird sich nichts ändern. Ich aber denke lieber an die Momente, wo es ein erleichtertes Danke war, oder wo ich selbst den ganzen Tag gehüpft bin, weil ein Fremder mir ein Kompliment gemacht hat.

Was für eine Gesellschaft wünschen wir uns? Eine wo wir nebeneinander leben oder eine, in der wir miteinander leben und einander wahrnehmen?

Lasst euch von mauligen Mitmenschen nicht runterziehen. Du weißt nicht was diese Menschen für Erfahrungen gemacht haben in ihrem Leben. Wir können nur unser Verhalten ändern. Aber damit können wir ein winziges Stück die Welt ändern, unsere kleine Welt.





Wie der kleine Haifisch Freunde fand

von Nancy McDonnell


Es war einst im Indischen Ozean, da verabschiedete sich ein kleiner Weißspitzenriffhai von seiner Mutter und zog ins weite Meer hinaus.

Er zog von Riff zu Riff und erfreute sich an den vielen bunten Korallen und den vielen bunten Fischen, die dort zu Hause waren.

Doch schon bald war es ihm zu langweilig so allein, und er beschloss, sich einen Freund zu suchen. Er fragte alle kleinen Riffhaie, denen er begegnete, doch die lachten nur über ihn und riefen: „Wir bleiben lieber allein, dann müssen wir die Beute auch nicht teilen!“

Das machte ihn sehr traurig und so zog er allein weiter, bis er einen Thunfisch traf. Warum sollte dieser nicht mein Freund sein, überlegte er und fragte ihn daraufhin. Doch der Thunfisch antwortete nur: „Deine Zähne sind schärfer als meine und wenn du Hunger hast, wirst du mich einfach fressen!“

Als Nächstes begegnete ihm ein Zackenbarsch und er fragte auch ihn, ob er sein Freund sein wolle. Aber dieser sagte: „Du bist viel größer als ich, und wenn du Hunger hast, wirst du mich einfach fressen!“

Daraufhin traf er einen Fledermausfisch und fragte wieder. Doch dieser antwortete: „Du schwimmst viel schneller als ich, und wenn du Hunger hast, wirst du mich einfach fressen!“

Der kleine Hai wurde noch trauriger, doch aufgeben wollte er noch nicht. Am nächsten Tag traf er einen Kugelfisch und fragte auch diesen: „Kugelfisch, willst du mein Freund sein?“ Aber der saugte sich sofort voller Wasser bis er rund wie ein Ball war und rief: „Wenn ich mit dir spiele, verliere ich all meine anderen Freunde!“

So schwamm der kleine Hai alleine weiter und begegnete einem Kofferfisch. „Kofferfisch, willst du mein Freund sein?“ „Nein, du bist zu klug. Gegen dich würde ich beim Spielen immer nur verlieren!“

Der kleine Weißspitzenriffhai verstand die Welt nicht mehr und als er einen kleinen Rotfeuerfisch auf einem Korallenblock sitzen sah, wollte er es ein letztes Mal versuchen. „Hallo Rotfeuerfisch, willst du mein Freund sein?“ Doch dieser stellte sofort seine giftigen Stacheln an den Rückenflossen auf und sagte: „Ich sitze lieber auf meinen Korallen, anstatt mit dir zu schwimmen!“

Nun hatte der kleine Hai endgültig genug und beschloss, nie wieder jemanden zu fragen.

Da kam eine Gold-Makrele vorbeigeschwommen. „Hey kleiner Hai, warum bist du so traurig?“, fragte sie ihn besorgt. Der kleine Hai schwamm etwas näher und antwortete: „Ich bin nur traurig, weil niemand mein Freund sein will. Sie haben Angst, weil sie glauben, ich sei in allem besser und stärker als sie. Doch anstatt von mir zu lernen, drehen sie mir lieber den Rücken zu.“

Die Gold-Makrele hatte Mitgefühl mit dem Hai. Sie war fast so groß wie er und eine der schnellsten Schwimmerinnen im Ozean. Sie hatte keine Angst vor ihm.

Und so kam es, dass der kleine Weißspitzenriffhai und die Gold-Makrele unzertrennliche Freunde wurden. Sie spielten zusammen im Sand, versteckten sich in Riffhöhlen und gingen gemeinsam auf Beutejagd, wobei sie viel voneinander lernten. Manchmal machten sie ein Wettschwimmen, und dann sah es oft so aus, als würde die Makrele den Hai verfolgen.

Wenn die anderen das sahen, schauten sie amüsiert zu und die Hälse der im Sand steckenden Röhrenaale wurden immer länger. Doch dann erkannten alle den kleinen Hai an der weißen Spitze seiner Rückenflosse und begriffen, dass er eine Freundin gefunden hatte.

 Sie hörten auf zu lachen, bis die böse Moräne, die ihren langen, schlangenförmigen Körper in einer Höhle versteckt hielt und nur ihr spitzes Maul in die Höhe reckte, mit tiefer Stimme zu brüllen begann: „Die spielt nicht mit dem Hai, die spielt mit ihrem Leben!“

Ihr Gebrüll schallte durchs ganze Wasser und wurde von allen Meeresbewohnern gehört. Auf einmal begann ein riesengroßes Gelächter.

Die Fledermausfische lachten, bis sich ihre Flossen krümmten.

Die Kofferfische lachten, bis sie sich wie Hubschrauber aufgeregt um die eigene Achse drehten.

Die Kugelfische wurden immer runder und platzten fast vor Lachen.

Und die Rotfeuerfische färbten sich vor lauter lachen dunkelrot, bis sie fast wie kleine Teufel aussahen.

Doch was war das! Neugierig geworden durch das Geschrei kam plötzlich ein grauer Riffhai vorbei. Er war sehr hungrig und freute sich zu sehen, wie unaufmerksam all die anderen Meeresbewohner waren. Sie lachten so sehr über die Gold-Makrele und den kleinen Hai, dass sie nicht mehr daran dachten, vorsichtig zu sein. So leichte Beute hatte der graue Riffhai bei Tageslicht noch nie gehabt, und gerade, als er sich den Thunfisch schnappen wollte, rief der kleine Weißspitzenriffhai: „Passt auf!“

In letzter Sekunde konnten sich alle in kleine Höhlen in Sicherheit bringen, doch als der große Hai wieder verschwunden war, trauten sie sich nicht mehr heraus. Sie schämten sich für ihr Gelächter und dafür, dass sie mit dem kleinen Hai nie Freundschaft schließen wollten. Sie dachten immer nur daran, dass er sie fressen könne, und nun hatte er ihnen das Leben gerettet.

Die Gold-Makrele dagegen brauchte sich nicht zu verstecken, denn sie wusste, dass ihr großer Freund sie immer beschützen würde. Und als die beiden weiterziehen wollten, rief der Thunfisch zu dem kleinen Hai: „Ich weiß, wir waren ungerecht zu dir. In Zukunft wollen wir niemanden mehr verurteilen, bevor wir ihn nicht kennengelernt haben. Bitte bleibt hier und werdet unsere Freunde!“

Und so kam es, dass der kleine Hai am Ende nicht nur einen, sondern viele Freunde hatte. Ab diesem Tag war er nie mehr allein.



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